Nextcloud und Solve CRM: Die All-in-One-Plattform für den souveränen Mittelstand

Nextcloud: Vom File-Hoster zur Plattform – Wie Solve CRM die Unternehmenskollaboration neu justiert

Wer heute über Nextcloud spricht, denkt in erster Linie an Dateisynchronisation, Kalender und Kontakte. Eine sichere, selbstgehostete Alternative zu den Hyperscalern. Doch diese Sichtweise greift entschieden zu kurz. Das Projekt hat sich in den vergangenen Jahren still und leise zu einer umfassenden Application-Delivery-Plattform gemausert. Ein interessanter Prüfstein für diese These ist die Integration von Solve CRM. Sie zeigt, wie Nextcloud den Sprung aus der IT-Abteilung in die Kernprozesse des Unternehmens schafft.

Die Metamorphose: Mehr als nur ein Dropbox-Ersatz

Die Anfänge von Nextcloud sind hinlänglich bekannt: Ein Fork von ownCloud, getrieben vom Wunsch nach mehr Offenheit und einer agileren Community. Schnell etablierte sich die Software als de-facto Standard für private und institutionelle Cloud-Instanzen. Universitäten, Behörden, mittelständische Betriebe – sie alle schätzen die Datenhoheit und die Möglichkeit, Speicher- und Collaboration-Tools ohne Abhängigkeit von US-Giganten zu betreiben.

Dabei zeigt sich jedoch ein wiederkehrendes Muster: Die Installation läuft, die Dateien werden geteilt, Videokonferenzen mit Nextcloud Talk finden statt. Doch dann meldet sich die Buchhaltung, das Vertriebsteam oder die Projektleitung. „Können wir nicht auch unser Kundenmanagement hier unterbringen?“ oder „Die Angebotserstellung ist immer noch ein Durcheinander aus E-Mails und Word-Dokumenten.“ An dieser Stelle stieß Nextcloud lange an seine Grenzen. Zwar gab und gibt es eine Fülle von Apps im Store, von simplen Notizzetteln bis zu komplexen Projektmanagement-Tools. Für eine durchgängige, professionelle Customer-Relationship-Verwaltung fehlte es aber an einer integrierten, nahtlosen Lösung. Hier setzt Solve CRM an.

Die Integration von Solve ist kein Zufallsprodukt, sondern folgt einer strategischen Linie. Nextcloud-CEO Frank Karlitschek spricht nicht mehr von einer „Collaboration-Plattform“, sondern zunehmend von einer „Plattform für digitale Souveränität“. Das klingt nach großem Wort, meint aber schlicht die Fähigkeit, komplette Arbeitsabläufe auf einer einzigen, kontrollierten Infrastruktur abzubilden. Solve CRM ist einer der ambitioniertesten Bausteine in diesem Puzzle.

Das CRM-Dilemma: Zwischen Monolithen und Insellösungen

Um die Bedeutung von Solve zu verstehen, lohnt ein Blick auf den Markt. Traditionelle CRM-Systeme wie Salesforce oder HubSpot sind mächtige, aber auch teure Monolithen. Sie bilden oft hundert Prozent der Anforderungen ab, von denen ein mittelständisches Unternehmen vielleicht dreißig braucht. Die Einbindung in die bestehende IT-Landschaft ist komplex, die Datensilos sind vorprogrammiert. Auf der anderen Seite stehen Open-Source-Lösungen wie SuiteCRM oder vTiger. Sie sind flexibel und kostenfrei in der Lizenz, erfordern aber enormen Administrationsaufwand und existieren meist als separate Instanz – eine weitere Insel im Archipel der Firmenanwendungen.

Genau in diese Lücke stößt Solve CRM. Es ist keine externe Software, die mühsam angebunden wird, sondern eine native Nextcloud-App. Das bringt einen fundamentalen Vorteil: Sie teilt sich die gleiche Benutzerverwaltung, die gleiche Datenbank, den gleichen Speicher und die gleiche Sicherheitsarchitektur wie der Rest der Nextcloud. Ein Mitarbeiter, der im CRM einen Kontakt anlegt, tut das mit demselben Account, mit dem er später ein Dokument für diesen Kontakt in der Datei-App ablegt. Klingt banal, ist aber in der Praxis ein enormer Effizienzhebel.

Ein interessanter Aspekt ist die Philosophie hinter Solve. Während große CRM-Systeme oft versuchen, den Vertriebsmitarbeiter in ein rigides Prozesskorsett zu zwängen, setzt Solve auf Kontext und fließende Übergänge. Die Idee: Die Arbeit findet nicht *im* CRM statt, sondern das CRM ist *Teil* der Arbeit. Es muss dort auftauchen, wo es gebraucht wird, und wieder verschwinden, wenn es im Weg ist.

Im Kern: Wie Solve CRM innerhalb von Nextcloud arbeitet

Nach der Installation fügt sich Solve unauffällig in die Nextcloud-Navigation ein. Der erste Eindruck ist clean, fast minimalistisch. Doch unter der Haube verbirgt sich ein durchdachtes System zur Verwaltung von Leads, Kontakten, Unternehmen, Opportunities und Projekten.

Die zentrale Entität ist der „Kontext“. Das kann ein Kunde, ein Lieferant oder ein internes Projekt sein. An diesen Kontext lassen sich nahezu beliebig Informationen anhängen: Aufgaben, Dateien, Notizen, Kalendertermine, E-Mail-Korrespondenz (über die Integration mit Nextcloud Mail) und sogar Chats aus Nextcloud Talk. Diese kontextuelle Bündelung ist der Schlüssel. Statt in verschiedenen Apps nach Informationen zu suchen, findet der Nutzer sie gebündelt an einem Ort. Das Dashboard bietet zudem eine konfigurierbare Übersicht über offene Aufgaben, anstehende Termine und den Sales-Pipeline.

Ein praktisches Beispiel: Ein Vertriebler erhält eine E-Mail-Anfrage in Nextcloud Mail. Mit zwei Klicks kann er daraus einen neuen Lead in Solve erstellen. Die gesamte E-Mail-Historie wird automatisch mit dem Lead verknüpft. Erstellt er im nächsten Schritt ein Angebot als Office-Dokument (über Collabora Online oder OnlyOffice), wird dieses im Dateibereich des Nextcloud gespeichert und *gleichzeitig* im Datensatz des Leads in Solve verlinkt. Jegliche Änderung am Angebot, Kommentare vom Team und der finale Versand werden im Aktivitätsstrom des Leads protokolliert. Die lästige Suche nach der finalen Angebotsversion in einem Shared Folder entfällt.

Technisch basiert Solve auf einem erweiterten Entity-Modell und nutzt konsequent die Nextcloud-APIs. Das hat einen entscheidenden Vorteil für Administratoren: Berechtigungen werden über das bewährte Nextcloud-Rechtesystem gesteuert. Wer nur Zugriff auf bestimmte Ordner in der Datei-App hat, kann auch nur die damit verknüpften CRM-Daten sehen. Für den Compliance-Beauftragten bedeutet das eine erhebliche Erleichterung: Datenflüsse und Zugriffe sind zentral nachvollziehbar und regulierbar.

Die Vernetzung: Solve als Klebstoff zwischen Nextcloud-Apps

Die wahre Stärke entfaltet Solve nicht im Solobetrieb, sondern im Zusammenspiel mit dem Nextcloud-Ökosystem. Diese Integrationen sind es, die den Plattform-Charakter unterstreichen.

  • Nextcloud Deck (Kanban): Projekte oder Sales-Pipelines lassen sich direkt als Kanban-Boards visualisieren. Ein Lead kann so einfach als Karte von „Erster Kontakt“ zu „Angebot in Arbeit“ gezogen werden. Die Karte bleibt mit dem vollständigen Solve-Datensatz verknüpft.
  • Nextcloud Calendar & Tasks: Jeder in Solve angelegte Termin oder jede Aufgabe erscheint im zentralen Nextcloud-Kalender bzw. in der Tasks-App. Umgekehrt können aus dem Kalender heraus neue Solve-Einträge erstellt werden.
  • Nextcloud Files: Wie erwähnt, die tiefe Dateiintegration ist das Herzstück. Datei-Versionierung, Kommentare und die Vorschau-Funktionen stehen auch für im CRM verknüpfte Dokumente zur Verfügung.
  • Nextcloud Mail & Talk: Die vollständige Protokollierung von Kommunikation schließt die Lücke zwischen informellem Chat, formeller E-Mail und dem Kundendatensatz.

Diese Verzahnung transformiert Nextcloud von einer Sammlung nützlicher Tools zu einem kohärenten Arbeitsraum. Für den Anwender reduziert sich die kognitive Last, weil er nicht ständig zwischen Welten wechseln muss. Für die IT-Abteilung sinkt der Schulungsaufwand, weil viele Prinzipien (Dateiverwaltung, Berechtigungen, Suche) bereits bekannt sind.

Praxis-Check: Einsatzszenarien und Grenzen

Für wen ist die Kombination Nextcloud mit Solve CRM nun ein Gewinn? Die Zielgruppe sind eindeutig kleine und mittlere Unternehmen, Freiberufler, Vereine und Bildungseinrichtungen, die Wert auf Datenschutz und Integration legen und kein 500-Modul-CRM-System benötigen.

Ein klassisches Einsatzszenario ist der IT-Dienstleister oder Softwareentwickler. Er verwaltet mit Solve seine Kunden und Projekte, verknüpft Angebote und Rechnungen (als Dateien) direkt mit dem jeweiligen Kontext und plant Ressourcen über den integrierten Kalender. Der gesamte Projektverlauf ist dokumentiert und auffindbar.

Ein Architekturbüro nutzt Solve, um Bauherren, Handwerker und Lieferanten zu verwalten. Planzeichnungen, Fotos vom Baufortschritt und E-Mail-Korrespondenz werden am zentralen Ort gesammelt. Die Team-Kommunikation über Nextcloud Talk zu einem spezifischen Problem ist ebenfalls sofort dem Projekt zugeordnet.

Doch es gibt auch klare Grenzen. Solve CRM ist kein ERP-System. Komplexe Lagerverwaltung, mehrstufige Produktionsplanung oder ausgefeilte Finanzbuchhaltung liegen außerhalb seines Scope. Auch bei hochspezialisierten Vertriebsprozessen mit komplexem Opportunity-Management und ausgeklügelten Forecast-Mechanismen stoßen die derzeitigen Möglichkeiten an ihre Grenzen. Hier bleiben die großen Player konkurrenzlos. Solve ist ein *lean* CRM, das auf Übersicht, Kontext und nahtlose Kollaboration setzt, nicht auf maximalistische Funktionsvielfalt.

Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist die Performance. Nextcloud-Instanzen, die bereits mit tausenden Nutzern und Millionen von Dateien arbeiten, müssen sorgfältig geplant werden. Die zusätzliche Last durch eine aktive CRM-Nutzung mit vielen Datenbankabfragen kann eine Herausforderung für die zugrundeliegende Datenbank sein. Skalierung erfordert hier Know-how in Sachen MySQL/MariaDB-Optimierung, Redis-Caching und Lastverteilung.

Die Kehrseite der Medaille: Support, Kosten und Customizing

Solve CRM wird von der deutschen Nextcloud GmbH entwickelt und vertrieben. Das bietet den Vorteil professionellen Supports und einer engen Anbindung an den Kern. Allerdings ist Solve, anders als die Basis-Nextcloud, keine reine Community-Software. Es handelt sich um eine kommerzielle Erweiterung, die pro Nutzer und Jahr lizenziert werden muss. Für viele Unternehmen ist das ein fairer Deal: Sie erhalten eine integrierte, gepflegte Lösung mit Supportvertrag. Für den reinen Community-Nutzer, der jede Lizenzgebühr scheut, ist es dagegen kein Weg.

Die Anpassbarkeit ist ein zweischneidiges Schwert. Grundlegende Anpassungen wie benutzerdefinierte Felder sind möglich. Tiefgreifende Modifikationen am Datenmodell oder an Workflows erfordern jedoch eigene Entwicklungsressourcen. Die App folgt dem „Nextcloud-Weg“: Sie bietet eine solide Basis für viele Anwendungsfälle, kann aber nicht mit der nahezu unendlichen Anpassbarkeit eines SuiteCRM mithalten. Das muss sie aber auch nicht, denn ihr USP ist ja gerade die einfache, out-of-the-box-Integration.

Ein kleiner Wermutstropfen aus journalistischer Sicht: Die Dokumentation von Solve ist, typisch für viele Nextcloud-Erweiterungen, eher knapp gehalten. Sie setzt oft voraus, dass man die Grundkonzepte versteht. Hier ist die Community noch im Aufbau. Lösungen für spezielle Probleme findet man seltener in Foren als bei etablierten, eigenständigen CRM-Systemen.

Ein Blick nach vorn: Was die Entwicklung verrät

Die Roadmap von Solve CRM gibt Hinweise darauf, wohin die Reise gehen soll. Geplant sind unter anderem erweiterte Reporting-Funktionen, eine noch tiefere Integration von Nextcloud Forms zur Datenerfassung und Verbesserungen im Mobile Client. Interessant ist auch der Fokus auf automatisierte Workflows.

Hier zeichnet sich ein größeres Bild ab: Nextcloud arbeitet an einem Low-Code/No-Code-Framework, das es ermöglichen soll, einfache Geschäftsprozesse über eine grafische Oberfläche zu modellieren. Solve CRM wird einer der primären Nutznießer dieser Entwicklung sein. Stellen Sie sich vor, Sie könnten einen Workflow definieren: „Wenn ein Lead in Solve den Status ‚Gewonnen‘ erhält, lege automatisch ein Projekt in Nextcloud Deck an, erstelle einen Shared Folder mit einer Vorlagenstruktur und lade die Teammitglieder per Kalendereinladung zu einem Kick-off ein.“ Solche Automatismen würden die Produktivität nochmals signifikant steigern und die Plattformidee vollenden.

Nicht zuletzt spielt das Thema Künstliche Intelligenz eine Rolle. Nextcloud experimentiert bereits mit KI-Funktionen für die Dateiverwaltung (Stichwort: „Nextcloud Assistant“). Es ist nur eine Frage der Zeit, bis solche Fähigkeiten auch in Solve einfließen – etwa zur automatischen Kategorisierung von Leads, zur Priorisierung von Opportunities oder zur Generierung von E-Mail-Entwürfen basierend auf vorheriger Korrespondenz.

Fazit: Ein strategisches Werkzeug für souveräne Digitalisierung

Die Kombination aus Nextcloud und Solve CRM ist weit mehr als eine technische Spielerei. Sie ist ein konkreter Baustein für Unternehmen, die ihre digitale Infrastruktur konsolidieren und gleichzeitig die Kontrolle über ihre sensibelsten Daten – Kundenbeziehungen – behalten wollen. Sie reduziert die Komplexität der IT-Landschaft, senkt die Gesamtbetriebskosten (TCO) durch den Wegfall redundanter Lizenzen und Systeme und fördert eine datenzentrierte Zusammenarbeit.

Für den IT-Entscheider ist es eine Überlegung wert, ob der Weg zu einer integrierten Plattform nicht langfristig sinnvoller ist als die Pflege eines heterogenen Software-Zoos. Solve CRM ist dabei kein Allheilmittel, sondern ein spezifisches, gut integriertes Tool für einen bestimmten Einsatzzweck. Es füllt eine klare Lücke im Nextcloud-Ökosystem und unterstreicht die Ambition des Projekts, zur zentralen Arbeitsplattform für den souveränen Mittelstand zu werden.

Die Entwicklung lohnt sich zu beobachten. Sollten die geplanten Workflow- und KI-Integrationen Realität werden, könnte Solve vom nützlichen Add-on zum unverzichtbaren Kernbestandteil einer modernen, selbstbestimmten Unternehmens-IT avancieren. Der Beweis, dass Open-Source und Usability, Datenschutz und Produktivität kein Widerspruch sein müssen, wird hier jeden Tag ein Stück mehr erbracht.